Achtsamkeitspraxis und Konzentration

Der Geist hat die Gewohnheit abzuschweifen, eingeschliffenen Grübelbahnen zu folgen und als „Affengeist“ ziellos und ruhelos umherzuwandern. Das Ich ist Achtsamkeitspraxis und Konzentration
somit nicht Herr im eigenen Haus, sondern unterwirft sich dem Hin und Her der Gedanken und gibt ihnen Bedeutung und Macht über das eigene Erleben. Wird an etwas Schönes gedacht, entsteht ein angenehmer Affekt, wird an etwas Problematisches gedacht, entstehen vielleicht verzweifelte Gefühle und Grübelkreisläufe.

In der Achtsamkeitspraxis übt man nun, nicht im Inhalt der Gedanken oder anderer Erlebnisinhalte zu versinken, sondern in der Nicht-Reaktivität zu verweilen und sich mit einer Haltung von wacher Präsenz und Bereitschaft, Akzeptanz und freundlichem Interesse den jeweiligen Empfindungen und Objekten im Gewahrsein zuzuwenden, ohne von ihnen davongetragen zu werden. Dies führt zu Geistesruhe, und damit zu Konzentration (Sammlung, bzw. Samadhi)

Hierdurch kann man diese Objekte des Erlebens genauer kennen lernen und Bedeutung und Informationsgehalt von Emotionen (e-motion = "Herausbewegen") klarer erkennen und vertehen, um dann auf eine gute Weise damit zu sein, bzw. eine neue und eigenverantwortliche Wahl hierüber zu treffen.
Wenn man subjektiv manchmal von Leidenschaften förmlich mitgerissen wird wie von einem reißenden Fluss, so ist die Achtsamkeitsperspektive die des Beobachters am Ufer, der betrachtet, was vorbeischwimmt, der sich aber nicht mitreißen lässt. Ein anderes Bild hierfür ist die Tasse mit trübem Wasser, auf deren Grund man schauen will. Das Wasser steht hier für den Geist. Man lässt sie einfach stehen und tut gar nichts! Die Schwebstoffe, die das Wasser trüben, setzen sich mit der Zeit ganz von selbst auf dem Grund ab und das Wasser wird klar. Man rührt nicht wie ein Irrer darin herum, um klarer sehen zu können.

In der Achtsamkeitspraxis unterscheiden wir Übungen, die an ein umschriebenes Meditationsobjekt geknüpft sind (Atem, Mantra, Gebet) von Übungen, welche den wechselnden Fluss des Geschehens beobachten. Es empfiehlt sich zu lernen, den Geist auf ein Objekt auszurichten und die Konzentration auf diese Weise zu schulen. Das beste und am häufigsten verwendete Meditationsobjekt ist der Atem. Der Atem ist immer gegenwärtig, solange wir leben. Und er kann uns jederzeit in Kontakt mit der Wirklichkeit jenseits unserer Gedanken bringen, was wir von unseren Gedanken selbst keineswegs behaupten können.

Wir brauchen nichts weiter für den Atem zu tun, als unsere Aufmerksamkeit darauf auszurichten (also anders, als etwa bei der Pranayama-Atmung im Hatha-Yoga o.a.). Der Körper (bzw. die Natur) reguliert den Atem ganz von selbst und es reicht vollkommen aus, darauf zu vertrauen. Für viele ist es erstmal ein sehr ungewohnter Zustand, nichts „tun zu müssen“ bzw. auch: nichts leisten zu können! Auch mag es sehr ungewohnt sein, sich nicht mit irgendwelchen anderen inneren oder äußeren Aktivitäten zu beschäftigen. Nicht selten ist dies auch mit Zuständen von Langeweile, Unruhe und/oder Ungeduld oder einem „Sich-Wegbeamen“ in Müdigkeit oder Schläfrigkeit verbunden.

Auf diese Weise kommen wir oft in Kontakt mit bislang unbewussten inneren Mustern und wir betrachten es als eine Art Einladung, auch diese mit einer Haltung wohlwollenden Interesses näher zu ergründen und kennenzulernen, um Heilung stattfinden zu lassen. Diese besteht im Wesentlichen in der freundlichen Verweilqualität selbst, welche das Leidvolle transformiert, sowie auch darin, damit aufzuhören, das Drama zu befeuern. Dies geschieht ganz von selbst, wenn wir erkennen, dass wir es sind, die das Drama hervorbringen. 

Wir sehen also: Konzentration geschieht im wesentlichen durch Nichts-Tun bei gleichzeitiger Ausrichtung der Achtsamkeit in entspannter Wachheit. Wir lassen uns von den Objekten des Gewahrseins anziehen, ohne nach ihnen zu greifen. Wir betrachten sie mit einer Haltung von freundlichem Interesse bei gleichzeitig völligem Vertrauen in die Unverletzlichkeit des Gewahrseins, das all diese Objekte beinhaltet. Dies scheint für manche eine unlösbare Aufgabe zu sein. Auch hier helfen aber Vertrauen und Forschergeist. Und eine eine vielleicht versöhnlich stimmende Botschaft: Du brauchst dich nicht mehr anzustrengen, du lebst sowieso schon damit! Und du kannst dir jederzeit erlauben, es dir leichter zu machen. Und, was immer du denkst oder dein Konzept ist, es bildet sowieso nicht die Wirklichkeit ab. All deine bisherigen Gewissheiten waren Irrtümer, und du lebst trotzdem immer noch. Also entspanne dich, du hast ohnehin nichts unter Kontrolle!

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