Tantra, Kurs in Wundern, Dharma & Mahamudra - Pfade der Spiritualität 

Tantra und der Buddha DharmaTantra, Kurs in Wundern, Dharma & Mahamudra - Om

Tantra, ein altes spirituelles Denksystem, lässt sich in etwa übersetzen mit "das Wesentliche verweben" (sanskrit: tan = erweitern, ausbreiten, verweben von 36 Tattvas = Grundkategorien des Seins). Es bedeutet Weite, Ausdehnung und Ganzheit. Es kann als eine Art "Metaframe" für alles Seiende verstanden werden und zeichnet sich neben anderem durch den gleichmütigen Blick auf Denkverbote aus, was etwa im 2.-3. Jh auch Anlass für die Hinwendung einiger Buddhisten hin zum Shivaismus und die Abkehr von der mönchischen Theravada-Tradition mit ihren 227 Vinayas (Verhaltensregeln) war. Diese Vinayas fußten großenteils auf der Annahme, Erleuchtung setze ein auf Übung, Disziplin und Askese beruhendes Erlöschen sinnlichen Genießens voraus, weil die Welt der Erscheinungen ohnehin nur illusionär und deshalb letztlich unbefriedigend sei. Es sei an dieser Stelle jedoch auch erwähnt, dass der Dharma des Buddha in dieser Hinsicht etwas anderes besagt als die meisten buddhistischen Traditionen (s. z.B. C. Titmuss: "The explicit Buddha").

Vor allem aber zeichnet sich der tantrische Ansatz durch das Verweilen in der schöpferischen Kraft des Begehrens, des "kosmischen Erschauerns" und der Bejahung unserer Verkörperlichung aus, was in den meisten buddhistischen Traditionen eher als leidvolle Option verworfen wird. Gleichzeitig bejaht es auch die Erfahrung der Intensität leidvoller Erlebniszustände. Das Universum wird im Tantrismus als wirklich erachtet, lediglich Konzepte und Bedeutungen sind hier illusionär (wenngleich das Konzept und Gedanke als solches wirklich sind, ist ihr Inhalt Illusion). Der Buddha-Dharma hingegen trifft hierzu keinerlei Aussage. Er dekonstruiert die Wirklichkeit (letztlich bestehend in der Anhaftung an geistige Gebilde) in Daseinsformationen und Daseinsmerkmale ohne Wesenskern (Anatta). Im Tantrismus wird auch das "Ich" als wirklich angesehen, als kontrahierte Form Gottes, dem alles innewohnt. Der Kurs in Wundern geht hier einen anderen Weg: Wenngleich die Welt samt dem Ego, das sie projiziert, illusionär ist, ist das Selbst als "Gottes Sohn" wirklich. Der Aspekt der Hingabe an das Sein findet sich im Kurs ganz ähnlich dem Tantra.

Tantra, Tibetischer Buddhismus & Mahamudra

Entwicklungen, wie der tibetische Buddhismus mit seiner Lehre des Mahamudra, Dzogchen, Chan (=Zen) und andere, einhergehend mit der Entwicklung des kaschmirischen Shivaismus und (später) Tantrismus, haben zu einer wechselseitigen Durchdringung und Beeinflussung shivaitischer, tantrischer und buddhistischer Denksysteme und Pfade der Spiritualität geführt. Hiermit hätte der Buddha mit seiner befreienden Botschaft vermutlich kein Problem gehabt. Mahamudra (die "große Geste") besagt, das wir bereits erleuchtet sind und da sind, wo wir sein wollen. Wir können nichts dafür tun, außer uns auf die Wirklichkeit zu besinnen (s. z.B. Osho: "Tantra - die höchste Einsicht").

Tantra wird heutzutage oft als eine Art Lifestyle-Erotikwellness aufgefasst oder missverstanden und mitunter auch mit Massagepraktiken gleichgesetzt, was bestimmten Entwicklungen unserer nach Intimität und Sex hungernden Convenience-Gesellschaft oder auch dem Credo des sog. "Neotantra" geschuldet sein mag. Das wenigste, was heute unter dem Begriff "Tantra" firmiert, hat insofern irgendetwas mit Tantra im ursprünglichen Sinne und mit non-dualer Spiritualität zu tun. Dennoch kann es auch als Ausdruck einer tief in uns Menschen gründenden Sehnsucht verstanden werden, die nur allzu leicht von vordergründigen Geschäftsinteressen instrumentalisiert werden kann. Vertiefende Schriften zum Tantra finden sich z.B. bei Christopher Wallis, Bettina Bäumer u.a.. Gleichwohl ist natürlich alles Gegenstand von Tantra, insofern die "höchste Nondualität" auch die Dualität umfasst. Auch das besagt Mahamudra.

Tantra wird heutzutage oft als eine Art Lifestyle-Erotikwellness missverstanden und mitunter gar mit Massagepraktiken gleichgesetzt, was bestimmten Entwicklungen unserer nach Intimität und Sex hungernden Convenience-Gesellschaft oder auch dem sog. "Neotantra" geschuldet sein mag. Das wenigste, was heute unter dem Begriff "Tantra" firmiert, hat insofern irgendetwas mit Tantra im ursprünglichen Sinne und mit Spiritualität zu tun und kommt eher leichtgewichtig daher. Dennoch kann es auch als Ausdruck einer tief in uns Menschen gründenden Sehnsucht verstanden werden, die nur allzu leicht von vordergründigen Geschäftsinteressen instrumentalisiert werden kann. Vertiefende Schriften zum Tantra finden sich  z.B. bei Christopher Wallis, Bettina Bäumer u.a.. Gleichwohl ist natürlich alles Gegenstand von Tantra, insofern die "höchste Nondualität" auch die Dualität umfasst. Auch das besagt Mahamudra.

Tantra und Ein Kurs in Wundern

Ähnlich dem Tantra integriert "Ein Kurs in Wundern" zwanglos alles zuvor beschriebene. Der Kurs ist zum Selbststudium angelegt und es ist unmöglich, religiöse Institutionen darauf zu gründen. Dennoch scheint es immer wieder jene zu geben, die es trotzdem versuchen. Der Kurs wird gern angefeindet von jenen, denen das Konzept "Schuld" heilig ist und die weiterhin auf einer Dualität zwischen Gott und seiner Schöpfung beharren. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand, der / die den Kurs in Wundern absolviert hat, zu dieser Auffassung tendiert. Insofern verharren Aussagen über den Kurs letztlich im Glauben und in der Anhaftung an liebgewonnene Vorstellungen.

Im tantrischen Shivaismus heißt es, Shiva habe die Welt, das Universum (die Shakti) aus sich selbst heraus erschaffen, um sich darin zu verlieren. Dieser Shakti, also allem Belebten und Unbelebten und auch allem Geistigen wohnt daher sein Schöpfer inne. Er habe dies aus Freude daran getan, sich wieder zu finden. Deshalb begehrt alles nach Liebe, Verbundenheit und Ausdehnung (kosmologisch betrachtet, drückt sich dies auch in der Entropie aus). Der Kurs sagt es mit anderen Worten: "Gott hat seine Vaterschaft mit uns geteilt". 

Pfade der Spiritualität - gemeinsame Perspektive

Alle leidvollen Prozesse ranken sich letztendlich um die Identifikation mit dem Körper. Um Angst oder Trauer um seine Vergänglichkeit, Besorgnis um seine Gesundheit oder sein Kranksein, seine Schönheit oder Hässlichkeit, sein Geliebt-Werden oder auch nicht, um all die Erfahrungen, die in der Welt mit dem Körper gemacht werden können. Um die Bedeutsamkeit des Ich zu feiern, seine Größe, seine Überlegenheit, seine Bescheidenheit, sein Märtyrertum, seine Tragik, um Macht über andere Egos zu erlangen durch Angriff auf deren Körper oder um die Besonderheit des Opferstatus, wenn es darum geht, sich anderen Körpern unterwerfen zu müssen etc.. Und um eine schier unendliche Zahl von Konzepten, die Auswege daraus postulieren, und die sich gleichzeitig scheinbar in einer Art Fluchtbewegung in Richtung Komplexität befinden, in der Annahme, auf diese Weise die Deutungshoheit über Wahrheit und Erleuchtung finden zu können. Und vielleicht sogar auch, um einer "reduktionistischen" Festlegung zu entgehen (zu finden vor allem in postmodernen Erkenntnisansätzen, s. Wilber u.a.), ohne jedoch in irgendeiner Weise an der Körpergebundenheit dieser expansiven Konzepte rühren zu können. 

Aus Sicht der Grundlagenwissenschaften hat sich Nietzsche's Materialismus längst überlebt und die Physiker sind sich sicher: Wir bestehen aus Wellen. Quarks und Co schaffen die Illusion der Materie. Während aus Sicht des Buddha Dharma der Körper als eine Formation von Elementen betrachtet wird, die durch eine Konstellation von Bedingungen entsteht, und deren konstituierende Merkmale der Wandel (Annica) und die Wesenlosigkeit bzw. "Leerheit" (Anatta) sind, wird der Körper (und damit auch die sinnlich erfahrbare "Welt") im Tantra als "Tempel" der Wirklichkeit oder des transpersonellen Seins, und im Kurs wiederum eher als Kommunikationsmittel - und darüber hinaus als bedeutungslose Illusion innerhalb einer ebenso illusionären Welt - verstanden. Wenn man sich eingehender mit diesen unterschiedlichen Blickwinkeln auseinandersetzt, könnte deutlich werden, dass sie sich in Bezug auf die Wahrheit "dahinter" nicht wirklich widersprechen. Es sind verschiedene Pfade der Spiritualität, und gleichzeitig stehen sie für eine gemeinsame Perspektive. Und dennoch scheinen sie auch wiederum in verschiedener Weise die Freiheit, das Glück und die Liebe im Blick zu haben. Im Sinne des Mahamudra geschieht all dies ohnehin aus der Warte des Ozeans einschließlich aller Fische darin, die wir vielleicht glaubten zu sein.

Wie Ken Wilber es schon nahelegte: mache dir klar, wie du deine Erleuchtung interpretierst, denn davon wird sie beeinflusst sein. Versäume es jedoch nicht, einen spirituellen Weg zu gehen, ganz gleich, welcher es sein mag (s. K. Wilber: "Integrale Spiritualität"). Insofern Ken Wilber die Welt des wissenschaftlichen Empirismus in seinem 3. Quadranten zur Entität erhebt, sei an dieser Stelle auch auf einen spannenden Diskurs zwischen Grundlagenwissenschaft und Buddhismus verwiesen: Quantum und Lotos

Letztlich werden wir die Wahl, die wir in Bezug auf die Sicht auf die Wahrheit, Spiritualität, die Welt und das Leben treffen, selbst verantworten. Niemand wird Alimente für unser Ergebnis zahlen. Oder, wie der Buddha schon sagte, "Glaube nicht, was ich dir sage, was irgend jemand dir sagt oder was irgendwo geschrieben steht. Finde es selbst heraus!"  

Dirk Schirok