Meditation - was ist das?
Versuch einer Begriffsbestimmung von Dirk Schirok
"Meditation bezeichnet eine Gruppe von Geistesübungen, die in verschiedenen Traditionen seit Jahrtausenden überliefert sind und seit dem 20. Jahrhundert zunehmend auch in der westlichen Welt in säkularer Weise praktiziert und beforscht werden. Ein wesentliches Element meditativer Techniken ist das bewusste Steuern der Aufmerksamkeit. Das Üben von Meditation soll abhängig vom Kontext der Praxis nachhaltige positive Veränderungen im Denken, Fühlen und Erleben bewirken oder zu spezifischen, teils religiös definierten Einsichten und Zuständen führen. Effekte von Meditationstraining auf Kognition, Affekt, Hirnfunktion, Immunsystem und Epigenetik sowie auf die psychische Gesundheit sind wissenschaftlich belegt." (Wikipedia)
Und dies sagt ChatGpt auf die Anweisung: "Gib eine präsize Definition von 'Meditation' in weniger als 100 Worten":
"Meditation ist eine geistige Praxis, die darauf abzielt, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zu schulen, um einen Zustand geistiger Klarheit, emotionaler Gelassenheit und Entspannung zu erreichen. Dabei konzentriert man sich in der Regel auf ein bestimmtes Objekt oder eine Aktivität, wie beispielsweise den Atem, ein Mantra oder eine Visualisierung, und minimiert Ablenkungen und wertende Gedanken. Das ultimative Ziel ist die Kultivierung von Achtsamkeit und die Steigerung der Selbstwahrnehmung, was zu einer verbesserten mentalen und körperlichen Gesundheit führt."
Wir haben hier also eine Art Querschitt dessen vorliegen, was im Internet zum Thema "Annahmen über das, was Meditation sein mag" zu finden ist. Folgendes fällt mir dabei auf:
Meditation soll demzufolge die Aufmerksamkeit bewusst steuern, positive Veränderungen hervorbringen und zu definierten Einsichten und Zuständen führen, wie "geistiger Klarheit, emotionaler Gelassenheit und Entspannung". Das "ultimative Ziel" sei die Kultivierung von Achtsamkeit und die Steigerung der Selbstwahrnehmung. Sehr schnell werden in beiden Exzerpten gesundheitsökonomische Gesichtspunkte angeführt, denen Meditation diesen soll. Auch erscheint es wichtig, dass das Ganze "wissenschaftlich belegt" sei.
Hand auf's Herz, wie stark ist Dein Glaube daran, dass Meditation das sei, was hier beschrieben wird? Eine geistige Tätigkeit, die auf irgendetwas abzielt, mit der irgendetwas erreicht werden soll? Und dessen Nutzen bewiesen werden kann innerhalb der geistigen Bahnen und Glaubenssysteme, denen ich schon seit meiner Kindheit folge? Was sollte es auch anderes sein?
Tatsächlich wird "Meditation" offenbar vielerortens mit genau einer solchen Haltung vermittelt und gelernt. Sie soll der Selbstoptimierung, der Gesundheit dienen, etwas soll damit erreicht werden, vielleicht sogar Nirvana und Erleuchtung. Mindestens aber mehr Ruhe und Gelassenheit, um in dem Krieg da draußen, auf der Autobahn (gilt für Deutschland), in den Arbeitsbeziehungen mit all ihrem Argwohn und ihrem Konkurrenzgetöse oder im Miteinander mit dem ärgsten Feind, dem Partner, endlich Oberwasser zu haben und nicht (länger) unter die Räder zu kommen. Vielleicht sogar, um mich im Nimbus einer emotionalen Teflonbeschichtetheit zu wähnen, um endlich via gewaltfreier Kommunikation, an die ich doch so sehr glaube, Gutes in die Welt zu bringen, so ganz ohne Selbstgerechtigkeit ....
Zugegeben, ich hätte es etwas netter ausdrücken können, aber: wofür?
Auf der Startseite dieser Homepage (der Website einer Einrichtung, in der "Meditation" praktiziert wird) wird bereits ein Werbeblock geschaltet für eine etwas andere Betrachtungsweise. Ich versuche hier, diesen Blickwinkel aufzuweiten.
Die Definition dessen, was Meditation ist, geschieht in der Nähe der Grenze, an der Konzepte zum Stillstand kommen; dort wo deutlich wird, dass sie nicht hineinreichen können in das, was sie zum Ausdruck bringen sollen oder worauf sie verweisen. Dies erinnert mich an eine Anmerkung Bhante Selawansa's, einem buddhistischen Mönch, dem ich einmal in einem Kurs beiwohnen durfte und der (sinngemäß, ich erinnere mich nicht an den genauen Wortlaut) sagte: "Der ganze Buddhismus... das sind alles nur Konzepte. Aber Konzepte, die das Denken zum Stillstand bringen!"
Was ist demnach also das Konzept "Meditation", und was tut es? Es sagt uns in etwa: "Setze oder lege dich hin (4 Meditationshaltungen, nicht vergessen!;)) und folge diesen oder jenen Prozessinstruktionen oder auch nicht (Mahamudra), sei so gut es geht ("rechte Anstrengung" i.S. Buddhas, für alle Karrieristen, Aufopferungsvollen, Ängstlichen oder sonstwie in irgendeiner heiligen Mission unterwegs-Seienden also: nicht anstrengen!!!) wach, energiereich, achtsam, neugierig, freudig, ruhig und gleichmütig und sei bereit, dem zu begegnen, was sich dir offenbart."
Hier sind wir auch schon in die Nähe der Botschaften anderer Weisheitslehrer gelangt, wie z.B. Daniel Odier, der darauf hinweist, dass wir nicht in die Ruhe eindringen können, sondern dass vielmehr die Ruhe in uns dringt, wenn wir sie hineinlassen. Oder Osho, der klar darauf verweist, dass Denken (also das identifiziert-Sein mit Gedanken) nicht mit Bewusstheit vereinbar ist.
Wie wir wissen, "meditieren" wir durch Intentionalität (also, das identifiziert-Sein mit einer Absicht) geradewegs an der Wirklichkeit vorbei. Im nicht-dualen Shiva-Shakti-Tantrismus entspricht dies dem Makel einer karmischen Handlung (karma-mala) Deshalb gilt in der Achtsamkeitspraxis das Gebot der Nicht-Reaktivität, um die unverfälschte Wirklichkeit "hinter" unseren Impulsen, Urteilen und Interpretationen zu erfahren. Es ist jedoch ein wenig, wie mit der in der Physik bekannten Heisenberg'schen Unschärferelation: Wir verändern den Gegenstand unserer Beobachtung durch diese Beobachtung. Auflösen lässt sich das nur durch die Verschmelzung des Beobachters mit dem Beobachteten, von Subjekt und Objekt, also durch die Aufhebung der Dualität, durch das Erwachen von Gottes Sohn bzw. das Erwachen Shivas in seiner Shakti, in der er sich verlieren wollte.
Wie wir auch wissen, sind unsere Motive oft unbewusst, verschleiert von Wächterinstanzen, bzw. "Beschützern" oder "Bewältigungsmodi", die uns vor der Begegnung mit einem tiefen emotionalen Schmerz bewahren sollen. Und nicht selten liegt hierin ein zentrales Motiv für die Aufnahme einer Meditationspraxis: einen Weg finden, den Schmerz zu vermeiden ("Spirituelles ByPassing"). Wie sollen wir da jemals zu der von Osho beschriebenen "vollkommenen Rezeptivität" gelangen, ohne ständig in unbewusster Weise unser Gewahrsein zu einem trüben Teich aufzuwühlen, und letztlich nur Illusionen und Projektionen zu sehen?
Wie also meditieren wir? Mit welcher Intentionalität? Sind wir gewahr oder identifiziert? Was ist eigentlich Meditation?