Meditation der liebenden Güte (Metta-Meditation)
Wenn der Gedanke zugelassen werden kann, dass du ein Recht auf Glück und Zufriedenheit hast, dann kannst du deine Aufmerksamkeit hierhin ausrichten und den Geist in dieser Weise nähren. Mit diesem Ansatz beziehst du nicht nur dich selbst in deine Wünsche ein, sondern auch deine Mitmenschen und Umwelt. Eine verbreitete, aus der buddhistischen Achtsamkeitspraxis stammende Übung hierzu ist dir Metta-Meditation.
Es kann an dieser Stelle sinnvoll sein, das eigene Konzept von Liebe zu überprüfen, denn hiervon hängt die Qualität des Ergebnisses der Übung ab.
Um es auf das Einfachste herunterzubrechen: Steht "Liebe" für das, dem du dich bedingungslos anvertrauen, in dem du Freiheit, Lebendigkeit und tiefsten Frieden zu finden bereit bist, oder ist sie eine Geschäft? Wer oder was ist die letzte Instanz, die über das Wesen der Liebe befindet? Ist es ein strafender Gott, ein Neurowissenschaftler oder bist du es selbst?
Anleitung:
Denke an einen glücklichen Moment und lass dieses Gefühl in dir wachsen.
Du kannst dir z.B. jemanden vorstellen, der oder die voller Freundlichkeit und Wohlwollen ist und dich offenherzig, verständnis- und liebevoll anschaut und dir freundlich zulächelt. Vielleicht wie eine liebende Mutter oder ein guter Freund, der es wirklich gut mit dir meint. Diese Person braucht nicht in der Realität existieren oder jemals existiert haben (Es ist sogar besser, wenn es diese Person lediglich in unserer Phantasie gibt, damit es nicht zu Verwechslungen kommt und etwa unnötige Konflikte angeregt würden.).
Gestatte dir nun ausdrücklich das Empfinden und Erleben von Glück und Wohlbefinden. Vielleicht spürst du ein inneres Entspannen, eine Weitung oder Helligkeit. Lasse diese Empfindungen bewusst zu. Vielleicht badest du auch in der Liebe der phantasierten Person.
Du kannst das Gefühl verstärken und tiefer verankern, indem du dir die folgenden (oder ähnliche) Sätze sagst:
Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.
Möge ich so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein.
Für die vertiefende Praxis kann das folgende Vorgehen empfohlen werden:
Denke an einen Menschen, der dir nahe steht. Stelle ihn oder sie dir möglichst lebhaft vor und vergegenwärtige dir, was du an ihm oder ihr magst. Spüre deine Verbundenheit mit diesem Menschen und wünsche ihm oder ihr – wenn du willst –, dass er/sie gleichfalls glücklich und froh sein möge.
Denke nun an einen Menschen, dem du vermutlich gleichgültig bist. Schließe auch diesen Menschen in deine guten Wünsche ein.
Denke nun an einen Menschen, der dich vermutlich nicht mag oder dir feindlich gesonnen ist. Stelle dir diesen Menschen mit seinen Grenzen, seiner Geschichte und seinen Bedürfnissen vor und bedenke auch diesen Menschen mit Ihren wohlmeinenden Gefühlen und freundlichen Wünschen. Mache dir dabei bewusst, dass dieser Mensch – fühlte er sich geborgen, glücklich und in Frieden – ganz bestimmt nicht dein Feind wäre.
Schließlich stelle dir alle genannten Menschen gemeinsam vor: dich selbst, einen Nahestehenden, einen Menschen, dem du mit neutralen Gefühlen begegnest, und einen Menschen, den du ablehnst oder der dich ablehnt. Umhülle alle mit deiner liebenden Güte.Wenn du möchtest und kannst, dehne dein Wohlwollen noch weiter aus – auf deine Nachbarschaft, deinen Kollegenkreis, deine Heimatstadt, auf das ganze Land und schließlich die ganze Erde.
Für ein nachhaltiges Gelingen dieser Meditationspraxis ist es sehr hilfreich, den Geist freundlich einzustimmen und mit Qualitäten von liebender Güte und Großzügigkeit anzufüllen. Wir verschaffen uns hierdurch einen gewissen Zeitvorteil gegenüber geistigen Hindernissen, wie z.B. Hass und Gier, die hierdurch zur Ruhe kommen, sodass wir unsere Aufmerksamkeit anschließend auf den Atem ausrichten können. Es kann also durchaus hilfreich und sinnvoll sein, eine Meditationssitzung mit einigen Worten der liebenden Güte zu beginnen, die du am besten für dich selbst findest. Hier nur ein Beispiel:
Möge ich glücklich sein.
Möge ich mich sicher und geborgen fühlen.
Möge ich so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein. Möge ich mich leicht und wohl fühlen.
Möge (Name z.B. des Partners, der Freundin oder der Familienangehörigen) glücklich sein.
Möge er/sie sich sicher und geborgen fühlen.
Möge er/sie so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein. Möge er/sie sich leicht und wohl fühlen.
Mögen alle, die mir nahe stehen, glücklich sein.
Mögen sie sich sicher und geborgen fühlen.
Mögen sie so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein. Mögen sie sich leicht und wohl fühlen.
Mögen alle, die ich nicht kenne oder denen ich gleichgültig bin, glücklich sein. Mögen sie sich sicher und geborgen fühlen.
Mögen sie so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein.
Mögen sie sich leicht und wohl fühlen.
Mögen alle, die mir feindlich gesonnen sind, glücklich sein. Mögen sie sich sicher und geborgen fühlen.
Mögen sie so gesund wie möglich und voller lebendiger Energie sein. Mögen sie sich leicht und wohl fühlen.
Mögen ich und alle Wesen, nah und fern, glücklich und in Frieden sein. Mögen wir gesund und heil sein.
Mögen wir uns leicht und wohl fühlen.
Mögen wir auch die Geduld, den Mut und die Entschlossenheit haben, den unvermeidlichen Schwierigkeiten und Misserfolgen des Lebens zu begegnen und sie zu bewältigen.
Mögen wir sie stets mit Mitgefühl, Achtsamkeit und Weisheit überwinden.
(Anregungen aus B.H. Gunaratana: Die Praxis der Achtsamkeit)
Es kann auch eine weitaus kürzere (z.B. „mögen alle Wesen glücklich sein und Frieden finden“) oder vielleicht sogar eine längere Version hilfreich sein.
Fange am besten bei dir selbst an und dehne dann das Feld liebender Güte weiter aus. Sobald du dich der Liebe anvertraust, ist das einfach. Es ist dann auch damit verbunden, alles loszulassen und nach nichts mehr zu greifen, noch nichtmals nach dem Ärger auf jemanden, von dem du der Überzeugung bist, er hätte dich verletzt oder etwa ungerecht behandelt. Denn auch diese Überzeugung lässt du dann los. Das hat damit zu tun, dass die Liebe nicht greift und festhält. Sie kann nur ausdehnen, nicht kontrahieren. In dem Maße, wie es dir gelingt, liebende Güte tatsächlich allen Wesen von Herzen zu wünschen, verbindest du dich also mit etwas Größerem und befreist dich von den Fesseln der Ich-Haftigkeit, die letztlich die Quelle all deiner Probleme und Leidenszustände ist.
Die Meditation der liebenden Güte in ihrer heutzutage vermittelten Form beruht nicht unmittelbar auf Lehrreden des Buddha (etwa dem Metta-Sutta), auch wenn dieser die Bedeutung der liebenden Güte als einer der „himmlischen Verweilzustände“ (brahmaviharas) stets betont hatte. Sie ist vielmehr eine Entwicklung des Theravada-Buddhismus.