Tandava - den Raum erfahren

Tandava

Lasya Tandava - dich ausdehnen zu dem, was Du bist

Lasya Tandava ist die weibliche, langsame Form des Tandava-Tanzes, wie sie von D. Odier vermittelt wird. Er beruft sich dabei auf seine Einweihung durch eine kaschmirische Meisterin und es findet sich kein Hinweis auf diese Methode in den schriftlichen Überlieferungen des kaschmirischen Shivaismus.

Tandava ist der Tanz Shivas, aus dem (so die shivaitische Mythologie) das Universum hervorgegangen ist. Aus mythologischer Sicht gibt es unterschiedliche Versionen dieses Tanzes und seiner Hintergründe. So habe Parvati, die Königin des Himalaya, den in tiefer Meditation versunkenen Sadhu Shiva in seiner Höhle behelligt und ihn dazu verlockt und inspiriert, diesen Tanz in inniger Vereinigung mit ihr zu tanzen. Im heutigen Indien ist Tandava weitgehend als ein sehr kraftvoller, hüpfender Tanz bekannt, der mit beinahe sportlichem Impetus allein, oder, einer Choreographie folgend, in Gruppen praktiziert wird.

Shivaismus und der daraus hervorgegangene non-duale Tantrismus (NŚT="non-dualer Śiva-Śakti-Tantrismus") sind non-dualistische Denksysteme, deren Ursprünge weit zurück reichen. Shiva bist dementsprechend natürlich du selbst. Und du hast die Welt erschaffen, um dich darin zu verlieren, aus reiner Freude daran, dich wiederzufinden.

Die Lasya Tandava Meditation dient der Erfahrung dieses Raumes, der wir sind, und der alles beinhaltet, das ganze Leben, den ganzen Kosmos. Im Sinne des Mahamudra (siehe z.B. Osho) ist dieser Raum das vollkommene Gewahrsein. Dementsprechend macht es am Ende nicht wirklich Sinn, zu glauben, wir könnten diesen Zustand durch ein bestimmtes ritualisiertes Vorgehen oder durch vorbereitende Bewegungsübungen (wie sie mitunter angeleitet werden) herbeiführen. Eindrückliche und umfangreiche Erläuterungen zu dieser Thematik finden sich v.a. bei Daniel Odier, siehe z.B. hier in einem seiner Vorträge. Was können wir also "tun", wenn nichts zielführendes getan werden kann und der Tanz, soll er denn gelingen, sich selbst tanzt? 

Wir können uns der Hingabe öffnen an das, was bereits ist. Auch dies bedeutet ausdehnen. Es ist nicht notwendig, sich dafür anzustrengen. Wir können uns von allen Erwartungen befreien, die wir möglicherweise an die Praxis haben mögen. Wir können uns darauf besinnen, dass Liebe Ausdehnung ist und darüber hinaus ein überaus erfreulicher Verweilzustand, den wir einladen, jedoch nicht im geringsten kontrollieren können. Wir können neugierig sein auf das Loslassen, indem wir uns von allem Festhalten befreien.

Es schadet nicht, wenn wir ein wenig vertraut sind mit dem körperlichen Loslassen. Wenn wir schon etwas schneller merken, in welcher Weise wir eigentlich festhalten, oder wenn wir zumindest ein starkes Interesse dafür aufbringen, mehr darüber heraus zu finden. Wenn wir erkennen, wie oder woran wir festhalten, hören wir damit auf. Wir überschreiten Grenzen, die jetzt keine mehr sind und erfahren mehr von dem Raum, der wir sind.

Tandava wird auch "der Yoga der Gefühle" genannt. Dies wird verständlich, wenn wir uns klar machen, dass wir alle Gefühle geschehen lassen, was auch immer sie auslösen mag. Wir machen uns damit vertraut und sind bereit, mit all diesen Gefühlen zu sein, ganz gleich, als wie machtvoll sie uns erscheinen. Und manchmal bemerken wir erst nach geraumer Zeit, dass wir da überhaupt an etwas festgehalten haben, uns vor irgendetwas meinten schützen zu müssen. Ebenso begegnen wir Gedanken, Konzepten und jedweden geistigen Gebilden, die wir dem unendlich weiten Raum überantworten, der all das beinhaltet. Wir erfahren Spanda, das kosmische Erschauern, wenn wir nichts Trennendes mehr legen zwischen uns und diesen Raum.

Die Lasya Tandava Meditation wird in 4 Phasen praktiziert

1. In Ruhe sitzen, den langsamen Atem sehr tief werden lassen, so tief wie möglich, bis hinein ins Becken und alle Energiezentren entlang. Durchlässig werden, nichts mehr festhalten mit dem Atem. Alles darf geschehen, was geschieht. Es kann sein, dass Becken und Wirbelsäule bereits jetzt auf natürliche Weise eine vielleicht nur angedeutete, minimale Bewegung dazu machen wollen. Dies erinnert manche an die Vorstellung der Kundalini-Schlange, die sich im Steißbeinbereich entrollt.

2. Die Arme hinzunehmen, die mit langsamen Bewegungen den Atem begleiten und den Raum erkunden helfen. Die Bewegungen größer werden lassen, jedoch nicht forcieren.

3. Die stehende Position - der eigentliche Tandava-Tanz: Die Füße sind breitbasig fest mit dem Boden verbunden, die großen Körpergelenke unter einer leicht federnden Spannung, der QiGong-Grundhaltung nicht ganz unähnlich. Mit großen, langsamen Bewegungen, die den tiefen Atem begleiten, den Raum erkunden, sich mit dem Raum verbinden, den Raum erfahren. Es geht dabei nicht darum, "möglichst langsam" zu sein, auch wenn die Tandava-Meditation immer mal wieder als "extrem langsamer" Tanz beschrieben wird. Nichts kontrollieren, gar nichts. Sich stattdessen für vollkommene Hingabe entscheiden.

4. Stilles Sitzen im Gewahrsein.