Daniel Odier: "Das entflammte Herz", 2020, Aquamarin

Entlang der 52 Verse des Spandakarika, die als Essenz des Tantra betrachtet werden können, entspinnt und verwebt Daniel Odier begleitende Kommentare von großer Klarheit und Tiefe sowohl aus eigener Feder, wie auch aus dem reichen Fundus der Dichtkunst großer tantrischer Meister. Hierbei versäumt er es nicht, stets die alltägliche Lebenswirklichkeit im Blick zu halten. Wie auch in anderen seiner Bücher nimmt er gern historischen Bezug auf die Denksysteme shivaitischer und tantrischer Traditionen vor dem autobiografischen Hintergrund seiner eigenen spirituellen Vita.    

Ein Buch irgendwo zwischen "wundervoll" und "sehr informativ und äußerst lehrreich". D. Odier spricht die Sprache der Freiheit, und man kann es irgendwo aufschlagen und befreiend inspirierende Worte darin finden.  

Auszug aus dem Buch:

„...Man stellt sich nicht mehr das zu erreichende Ziel vor; man praktiziert einfach nur Yoga und stilles Sitzen, ohne dabei irgendeine Erwartung zu entwickeln, ganz in der Freiheit des Augenblicks. Wir lassen das Universum in uns hineingleiten, ohne auch nur auf die Strategien des Yoga und des Sitzens zurückzugreifen, und gelangen zum puren Gewahrsein. Das ist die ganze Lehre von Mahamudra.
Wir unternehmen zu viele Anstrengungen. Zu sehr sehnen wir uns einen Zustand herbei, über den wir ein völliges Hirngespinst entwickeln. Wir haben Angst, einen Zustand zu verlieren, bevor wir ihn überhaupt berührt haben; und sobald wir ihn berühren, verlieren wir ihn tatsächlich. Nicht wir berühren den Zustand, der Zustand berührt uns. Nicht wir erschaffen die Stille, die Stille dringt in uns hinein. Lassen wir ihr die Freiheit, uns zu streifen, uns zu durchzudringen, sich einige Minuten in uns niederzulassen, von uns zu gehen und wiederzukommen. Falls wir den Eindruck eines Misserfolges haben, wenn die Stille uns verlässt, verhindert die Anspannung, die das Schuldgefühl hervorruft, jede Rückkehr in den Zustand der Einheit. Das zu berühren, ist am schwierigsten. Die Freiheit des Wandels zu akzeptieren, die Kreativität des Lebens; zu verstehen, dass ein festgeschriebener Zustand, auch wenn er noch so herrlich ist, mit dem Leben nicht vereinbar ist...."

 

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